Lebensstil und Energieverbrauch,

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1 Jahr 2 Monate her - 1 Jahr 2 Monate her #1 von Bernd Offizier
Bernd Offizier antwortete auf Lebensstil und Energieverbrauch,
Lieber Helmut,
Beifall, man bemerkt, Du hast Dich beruflich mit dieser Thematik beschäftigt.
Einmal Beruf, immer Beruf. Das zeigt, dass Du im Beruf aufgegangen bist.
Wir erwarten weitere Artikel von Dir.
LG
Bernd
Letzte Änderung: 1 Jahr 2 Monate her von Bernd Offizier.

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1 Jahr 2 Monate her - 1 Jahr 2 Monate her #2 von Helmut Schweikert
Lebensstil und Energieverbrauch, wurde erstellt von Helmut Schweikert
Lebensstil und Energieverbrauch     von Helmut Schweikert,   19. Januar 2023   

In der Zeitschrift UNI NOVA, einer Informationsbroschüre der Universität Basel (Schweiz), las ich kürzlich eine kleine biografische Notiz zu einem dort arbeitenden Gelehrten: „A. B. ist Professor für Religionsgeschichte und Literatur des Judentums an der Universität Basel und lebt in Basel und Jerusalem.“ In einer amerikanischen Zeitung, in der ich zurzeit ebenfalls gelegentlich blättere, findet sich ein Interview mit einem amerikanischen Filmschauspieler und dabei der Hinweis: „R. P. lebt in London und New York.“ Am Fernsehen erlebe ich in letzter Zeit immer häufiger Personen, die ebenfalls an mehreren Wohnorten in verschiedenen Kontinenten zu Hause sind.

Da wurde kürzlich unter anderem eine junge italienische Wissenschaftlerin vorgestellt, die an einer Universität in Kalifornien arbeitet, die aber, sooft es geht, in ihrem großartigen elterlichen Anwesen auf einer italienischen Insel anzutreffen ist: „Nur hier auf meiner Insel“, sagte sie, „finde ich die Ruhe, die ich benötige, um zur Besinnung zu kommen.“ Oder, anderer Fall,   --   ich könnte so beliebig weitermachen   ‑‑   eine in Deutschland seit einiger Zeit eingebürgerte Iranerin, die ständig zwischen ihrem deutschen Wohnsitz und dem Heimatort ihrer elterlichen Familie im Norden Irans hin und her pendelt, wurde zu ihrer Arbeit befragt. „Sie ist eine hervorragende Bereicherung unserer deutschen Kultur“, meinte der Fernsehjournalist, der sie vorgestellt hatte, am Schluss der Sendung.  
 

Nun habe ich nichts gegen Kultur oder gar wissenschaftliche Arbeit; mir geht es in allen diesen Fällen um die Frage, was der erwähnte Lebensstil mit unserem Energieverbrauch zu tun hat. Zwischen London und New York liegen rund 6000 Kilometer. „Mein“ amerikanischer Schauspieler dürfte im Jahr, wenn er jeden Monat einmal einen Hin- und Rückflug unternimmt, so an die 5000 oder 6000 Liter Kerosin verbrauchen.

Von Italien bis in den „Golden State“ Kalifornien sind es entsprechend mehr; von Mitteleuropa in den Iran oder nach Israel und zurück natürlich weniger, wobei nicht übersehen werden darf, dass die Durchschnittsverbräuche je Passagier bei kürzeren Strecken und wiederholtem Umsteigen (respektive Wechsel des Flugzeugs) höher sind als hier angenommen.
 

Die Frage nach dem Zusammenhang von Energieverbrauch und Lebensstil ist keineswegs nur auf den Kreis von Personen beschränkt, die von einem ihrer Wohnorte „den Flieger“ nehmen müssen, um zum anderen zu gelangen. Die Zunahme des Verkehrs und damit verbunden die Zunahme des Treibstoffverbrauchs mit allen seinen negativen Seiten ist ein sehr allgemeines Phänomen.

Der weltweite Tourismus nimmt immer noch zu. Stark angewachsen ist seit einigen Jahren die Anzahl der Personen, die viele Monate im Jahr mit ihrem Wohnmobil in aller Welt herumkutschieren; sehr viele Rentner befinden sich darunter. Zu ihrem bisherigen Jahresenergieverbrauch kommt dann der Verbrauch für die Fahrten hinzu, die manchmal bis in den Süden von Italien oder Spanien oder auch bis in das nördliche Skandinavien führen. „Das muss man doch einfach gesehen haben!“
 

Viele Freiberufler wissen die moderne Kommunikationstechnik zu nutzen und arbeiten nicht mehr von irgendeinem inländischen Büro aus, sondern haben ihren Arbeitsort an die Balearen, die Kanaren oder in eine sonstige idyllische Insel- oder Küstenwelt verlegt. Wenn es nötig ist, fliegt man „nach Hause“, um an einer Sitzung teilzunehmen oder nach dem Rechten zu sehen.

Die Möglichkeiten, Aktivitäten zu entfalten, die immer mehr Verkehr verursachen, sind praktisch unendlich. Die Globalisierung schafft auf allen Gebieten zusätzliche Verkehrsbewegungen.

Ich denke, hier vor allem auch an den globalisierten Sport, den Transport von Spitzensportlern und Rennpferden zwischen allen Kontinenten, aber auch an die Reisen zu internationalen Fachkongressen aller Art, einschließlich der Konferenzen zur Lösung von Umweltproblemen mit Zehntausenden von Teilnehmern, die in der Regel nichts bringen als eine Zunahme des Verbrauchs von fossilen Brennstoffen. 


All dies ist Ausdruck der großartigen Freiheit, die wir genießen. Die unvermeidliche Folge davon, dass immer mehr Menschen diese Freiheit in Anspruch nehmen, ist jedoch das Anwachsen des Energieverbrauchs. Im Flug- und im Straßenverkehr wird der Energiebedarf noch auf lange Zeit hinaus vorwiegend durch herkömmliche Energieträger gedeckt werden müssen.

Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit, alternative Energiequellen oder Flugantriebssysteme auch für den Flugverkehr zu entwickeln. Dies ist aber Zukunftsmusik. Oder seien wir ehrlich: „E-Flugzeuge“ wird es allenfalls am Reißbrett geben. Und die Produktion von Biosprit für Heizung und Motorfahrzeuge stößt heute schon an Grenzen.

Unsere Umwelt wird die Produktion von Biosprit für den gesamten ungeheuren Flugverkehr, der sich in den vergangenen Jahren entwickelt hat und der unaufhaltsam zunimmt, niemals hergeben.
 Das mit einem globalisierten Lebensstil wohlhabender Schichten einhergehende Wachstum des Energieverbrauchs hat sich von wirtschaftlichen Faktoren, welche die Wirtschaftslage einzelner Volkswirtschaften kennzeichnen, weitgehend entkoppelt.

In einer freien Wirtschaft, sollte man meinen, müsste der Marktmechanismus bei einer Verknappung des Energieangebots einen Rückgang des Wachstums der Energienachfrage bewirken. Aber dies ist nicht der Fall. Für den angesprochenen Personenkreis, der in der Regel wohlhabend ist, spielt der Preis der Energie keine Rolle.

Der sportliche Akademiker, der sich dem Langstreckenlauf als Hobby verschrieben hat, wird auch weiterhin am „Marathon“ in New York oder in Honolulu oder wo auch immer in der Welt teilnehmen. Und der passionierte und wohlbetuchte Segler wird es sich nicht nehmen lassen, alljährlich oder sogar mehrmals im Jahr mit seinem Verein neue Fahrtgebiete, z.B. auf der Karibik oder auf den Whitsunday Islands, zu entdecken.

Die ärmeren Schichten, auf der anderen Seiten, müssen vom Staat subventioniert werden, der ihnen auf diese Weise ermöglicht, ihren bisherigen Wärmekomfort beizubehalten. Auch hier wird, diesmal mithilfe des Staats, der Marktmechanismus außer Kraft gesetzt.
 Dabei wird der Staat immer mehr in eine Rolle gedrängt, die er im Prinzip nicht übernehmen sollte, nämlich diejenige des Bewahrers der bestehenden Energieverbrauchsstrukturen. Ich habe zunächst den Flugverkehr in den Vordergrund gestellt. Nach wie vor entfällt der größte Anteil des fossilen Brenn- und Treibstoffverbrauchs auf die Sektoren Heizung und Automobilverkehr, auf die Industrieproduktion sowie auf die thermische Stromerzeugung.

Die Stromerzeugung aus Braunkohle soll in Deutschland nach neuesten Planungen in den 2030er-Jahren auslaufen. In den übrigen Sektoren besteht aber wenig Anlass zu Optimismus. Für die energetische Sanierung des Altbaubestandes fehlen Geld und Fachkräfte. Der Treibstoffverbrauch für den Güter- und Personenverkehr erfuhr durch die Coronakrise eine Abschwächung, nimmt aber in langfristiger Betrachtung immer noch leicht zu, insbesondere weil die erzielten Effizienzsteigerungen durch höhere Fahrleistungen wieder kompensiert werden.

Und weltweit sorgen sich die Autobauer weniger um den Energieverbrauch ihrer Fahrzeuge im praktischen Alltag, sondern sie liefern nach wie vor ihre marktgängigen Modelle, und das sind vordergründig immer noch größere, noch komfortablere und technisch noch leistungsfähigere Fahrzeuge. Der Verband der deutschen Automobilindustrie verpackt seine energiepolitischen Vorstellungen in die an und für sich berechtigte Forderung nach einer europäischen Rohstoffpolitik: „Rohstoffengpässe zu verhindern, ist nicht nur eine geologische Herausforderung – es ist vordergründig eine wirtschaftspolitische.“

Auf gut Deutsch: Im Bereich der flüssigen Brenn- und Treibstoffe soll der Staat gefälligst dafür sorgen, dass immer ausreichend Benzin und Dieseltreibstoffe verfügbar sind. Dass auch die Rohstoffe „Sonne“ und „Wind“ genutzt werden sollten, ist in dieser Forderung offenbar nicht vorgesehen.
 Um die Folgen des Verhaltens einzelner Konsumenten für den Energieverbrauch zu illustrieren, gibt es Beispiele, die weitaus spektakulärer sind als diejenigen, die ich genannt habe: Superjachten beispielsweise mit einer Ausstattung, die jedes vernünftige Maß überschreitet; gigantische Kreuzfahrtschiffe; oder wahnwitzige Vorhaben wie der von einem amerikanischen Unternehmer geplante „Weltraum-Tourismus“.

Entscheidend ist aber das Verhalten der großen Masse der Bevölkerung. So wie sie sich verhält, werden sich die globalen klimapolitischen Ziele, zu denen sich auch Deutschland verpflichtet hat, niemals realisieren lassen.  
 
Letzte Änderung: 1 Jahr 2 Monate her von Helmut Schweikert.
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