Nadeln ohne Garn.

Abhängigkeit

- Von Bernd Offizier -

Nadeln ohne Garn.

Wieder einmal hatte ich mich im Urlaub verrenkt.

Am Ruhetag, Irenes Einkaufstag (wann ist keiner?), hatte ich nachmittags aber einen Termin bei einem "Nad ‘ler", der ohne Garn, wie meine Tochter, sein Handwerk betreibt.

In einer Sylter Zeitung las ich, dass noch „Versuchskaninchen“ für einen z.Zt. laufenden Akupunkturkursus gesucht werden. Neugierig, dem Neuen aufgeschlossen gegenüberstehend, rief ich sofort die angegebene Telefonnummer an. Keine Chance, es gab schon zu viele solcher Typen.

Auf Drängen meiner Frau machte einen 2. Versuch. Ich wollte auch gerne noch dafür bezahlen, sagte ich der sehr freundlichen Dame am Telefon. Offenbar erkannte sie die Dringlichkeit, ich ließ sie dabei deutlich meine Schmerzen am Telefon spüren. Sie gab mir eine Handynummer von der Assistentin des „Nad‘lers“, welche mir schon für den Folgetag einen Termin gab.

Der Nad‘ler, ein sehr nett bebrillter Doktor, erkannte, nachdem ich nur wenige Worte ausgesprochen hatte, alle meine körperlichen und geistigen Eigenschaften. Offenbar multiplizierte er die von mir wenigen Worte mit einem, mir bis heute unbekannten Multiplikator.

Ab sofort hielt ich meine Schnauze. Er wusste ja schon „alles“. Ich musste mich auf eine Liege legen, Bauch nach oben. Wieso? Der Gute soll doch meinen Rücken stabilisieren.

Auch er machte sich an meiner Fronseite zu schaffen. Ich dachte: Das ist ja genau wie bei meiner Tochter. Sie betreibt eine Physiotherapeuten-Praxis. Auch er wird wohl gleich die Stricknadeln auspacken.

Weit gefehlt, die packte er erst am 2. Tag aus.

Festzustellen bleibt:

Die Zunft der Folterer hat nur die Werkzeug-Vorschriften geändert. Kompliment, das Handling dieser Folterwerkzeuge wird von den beiden exzellent beherrscht. Über die unsensiblen Behandlungsmethoden, welche sich zwar als sehr erfolgreich herausstellten, möchte ich nicht schreiben.

Nun, er machte es sich einfach, mit lächelnden Augen hinter seiner runden Brille, übertrug er kurzzeitig multiplizierend die Rückenschmerzen auf meine Frontseite. Aussichtslos in diesem Moment an ein Stoßgebet zu denken.
Was hatte er mit mir angestellt?

Auf seinen Befehl hin musste ich durch den Hörsaal laufen. Hierbei versuchte ich, mich an meine Rückenschmerzen zu erinnern. Er meinte, durch meinen jetzt aufrechten Gang wäre ich einige Zentimeter größer geworden.

Nein, das kann nicht sein. Eben waren die doch noch da! Hat er meine Psyche mit dem Alternativ-Schmerz durcheinandergebracht?

Ja, so ein bisschen erinnerten sich meine Bandscheiben-Nervensoldaten vom 4. und 5. Lendenwirbel schon noch an Gewesenes. Ich dachte, die müssen nochmals einer Gehirnwäsche unterzogen werden.

In der abendlichen Dankesmail machte ich u. a. die Bemerkung: Die Kosten für den nun erforderlichen neuen Personalausweis, entstanden durch die Größenänderung, würde ich gerne in Kauf nehmen.

Die Prozedur zur Gehirnwäsche wiederholte sich am Folgetag mit der Hinzunahme von, na sie wissen schon.

Ich kann nur sagen: „Danke lieber Doktor, obwohl ein gewisser Erinnerungsschmerz noch hin und wieder von sich reden macht, waren die Gehirnwäschen erfolgreich.“

Behandelt wurde ich von: Dr.T. Weiberlenn, Arzt für traditionelle chinesische Medizin, Akademie für fachärztliche Akupunktur u. integrative Medizin GmbH, 30159 Hannover, Tel.0511.3068955

Ein Nachtrag
zum gewissen Erinnerungsschmerz werde ich unter folgendem Titel schreiben: „Rückenschmerzen Storno.“

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