- Beiträge: 6
- Startseite
- Forum
- Buchthemen
- Erfahrene Menschen berichten
- Ob uns der Herrgott vergessen hat?
Ob uns der Herrgott vergessen hat?
- Gerti Köhler
- Offline
Weniger
Mehr
2 Jahre 3 Monate her - 2 Jahre 2 Monate her #1
von Gerti Köhler
Ob uns der Herrgott vergessen hat? wurde erstellt von Gerti Köhler
… und wieder war es so ein leerer Tag. Mein Mann saß die meiste Zeit auf der Couch und schlief. Er ist nur noch müde, schläft sogar manchmal am Tisch ein. Wenn man ihn fragt, ob er sich über etwas Gedanken macht, grübelt, kommt immer nur: „ ich bin soooooo müde“. Was ist das für eine Müdigkeit? Ist der Körper müde, ist der Geist müde, ist man des Lebens müde?
Alles dauert sehr sehr lange – mein Mann trippelt nur noch in kleinen Schrittchen, selbst ich mit meinem Rollator, muss sehr langsam gehen, damit wir uns nicht verlieren, WENN wir denn tatsächlich mal raus gehen.
Letztendlich sind unsere Tage immer gleich. Morgens um 7.30 Uhr spätestens aufstehen, je nachdem, wer als Erster im Bad vom Pflegedienst versorgt wird, richtet der Andere den Frühstückstee, deckt den Tisch, holt die Zeitung aus dem Briefkasten. Danach dann gemeinsames – immer sehr stilles Frühstück – danach dann gemeinsames Zeitunglesen.
Diese Stille bei uns in der Wohnung – Grabesstille? Mit der Technik des CD Players kommt mein Mann nicht mehr zurecht, er ist oft sehr ungehalten, wenn etwas, was er mal konnte, nicht mehr klappt. Ich bin der „Kopf“ in unserer 62 jährigen Ehe, zum Glück kann ich das alles noch. Die Termine im Blick behalten, Medikamente einsortieren, Medikamente bestellen, Taxi bestellen, um zum Arzt zu fahren, es sind so viele kleine Dinge und doch brauche ich IHN. Er ist der „lange Arm“, der mir die Teller oder die Gläser aus dem Schrank holt, da meine Schultern so kaputt sind, dass ich die Arme kaum noch bewegen kann. Er ist der „lange Arm“, wenn ich neue Bettwäsche brauche … oder, oder, oder … er ist der „starke Arm“, wenn wir es wirklich noch schaffen, gemeinsam einkaufen zu gehen, denn er zieht unser Einkaufswägelchen. Er ist mein „Ritter“, der mir hilft den Rollator in den Bus zu heben, weil mir die Kraft fehlt, der mich schiebt am „Bobbes“, damit ich Schwung habe, um in den Bus zu kommen. Es sind so viele, unendlich viele Kleinigkeiten, die sich im Laufe der langen Jahre, Jahrzehnte eingespielt haben und doch ….
Es tut so weh zu sehen, wie er sich „verliert“, wie er sich anstrengt, wenn ich ihn frage: „was haben wir denn heute Mittag gegessen?“ Kein Vergleich zu seiner sprudelnden Erzählung, als unser Enkelsohn da war und uns bat, doch über die Kriegs- und Nachkriegszeit, über unsere Kindheit, etc. zu erzählen. Es war eine Verwandlung … das Gesicht strahlte, der Körper hatte wieder Spannung, er saß aufrecht, wir haben gelacht, geweint und unser Enkelsohn war total fasziniert und überwältigt. Er meinte, er wäre so dankbar, dass er das alles erfahren kann. Viele seiner Freunde haben schon gar keine Großeltern mehr.
Wie gerne waren wir den ganzen Sommer in unserem Schrebergarten, wir haben von morgens bis abends gewerkelt, es gab immer etwas zu tun. Wie gerne waren wir mit Freunden zusammen unterwegs, oder haben Karten gespielt, gegrillt, einfach zusammen gesessen und erzählt, gelacht. Wie nett waren die ersten Jahre hier in unserem neuen Zuhause, als es noch das Mieter-Cafe gab, welches alle paar Wochen von Nachbarinnen veranstaltet wurde. Das waren auch immer sehr fröhliche Stunden, teilweise auch mit hitzigen Diskussionen.
Durch Corona hat sich so viel verändert, aber nicht nur dadurch – mein Mann und ich – wir Beide mussten einsehen, dass es ohne fremde Hilfe nicht mehr geht. Ob es der Pflegedienst ist, ob es Nachbarn sind, die sich nett um uns kümmern, die Kinder haben leider sehr wenig Zeit und wohnen auch nicht so nah.
Es schmerzt, jeden Tag konfrontiert zu werden mit den Unzulänglichkeiten des Alltags UND auch des Körpers. Der Körper ist müde, er darf es auch sein nach über 80 Jahren und doch ist es eine emotionale Achterbahn, nur dass man nicht mehr vor Freude juchzt.
Manchmal frage ich mich abends: „ob uns der Herrgott vergessen hat“?
Alles dauert sehr sehr lange – mein Mann trippelt nur noch in kleinen Schrittchen, selbst ich mit meinem Rollator, muss sehr langsam gehen, damit wir uns nicht verlieren, WENN wir denn tatsächlich mal raus gehen.
Letztendlich sind unsere Tage immer gleich. Morgens um 7.30 Uhr spätestens aufstehen, je nachdem, wer als Erster im Bad vom Pflegedienst versorgt wird, richtet der Andere den Frühstückstee, deckt den Tisch, holt die Zeitung aus dem Briefkasten. Danach dann gemeinsames – immer sehr stilles Frühstück – danach dann gemeinsames Zeitunglesen.
Diese Stille bei uns in der Wohnung – Grabesstille? Mit der Technik des CD Players kommt mein Mann nicht mehr zurecht, er ist oft sehr ungehalten, wenn etwas, was er mal konnte, nicht mehr klappt. Ich bin der „Kopf“ in unserer 62 jährigen Ehe, zum Glück kann ich das alles noch. Die Termine im Blick behalten, Medikamente einsortieren, Medikamente bestellen, Taxi bestellen, um zum Arzt zu fahren, es sind so viele kleine Dinge und doch brauche ich IHN. Er ist der „lange Arm“, der mir die Teller oder die Gläser aus dem Schrank holt, da meine Schultern so kaputt sind, dass ich die Arme kaum noch bewegen kann. Er ist der „lange Arm“, wenn ich neue Bettwäsche brauche … oder, oder, oder … er ist der „starke Arm“, wenn wir es wirklich noch schaffen, gemeinsam einkaufen zu gehen, denn er zieht unser Einkaufswägelchen. Er ist mein „Ritter“, der mir hilft den Rollator in den Bus zu heben, weil mir die Kraft fehlt, der mich schiebt am „Bobbes“, damit ich Schwung habe, um in den Bus zu kommen. Es sind so viele, unendlich viele Kleinigkeiten, die sich im Laufe der langen Jahre, Jahrzehnte eingespielt haben und doch ….
Es tut so weh zu sehen, wie er sich „verliert“, wie er sich anstrengt, wenn ich ihn frage: „was haben wir denn heute Mittag gegessen?“ Kein Vergleich zu seiner sprudelnden Erzählung, als unser Enkelsohn da war und uns bat, doch über die Kriegs- und Nachkriegszeit, über unsere Kindheit, etc. zu erzählen. Es war eine Verwandlung … das Gesicht strahlte, der Körper hatte wieder Spannung, er saß aufrecht, wir haben gelacht, geweint und unser Enkelsohn war total fasziniert und überwältigt. Er meinte, er wäre so dankbar, dass er das alles erfahren kann. Viele seiner Freunde haben schon gar keine Großeltern mehr.
Wie gerne waren wir den ganzen Sommer in unserem Schrebergarten, wir haben von morgens bis abends gewerkelt, es gab immer etwas zu tun. Wie gerne waren wir mit Freunden zusammen unterwegs, oder haben Karten gespielt, gegrillt, einfach zusammen gesessen und erzählt, gelacht. Wie nett waren die ersten Jahre hier in unserem neuen Zuhause, als es noch das Mieter-Cafe gab, welches alle paar Wochen von Nachbarinnen veranstaltet wurde. Das waren auch immer sehr fröhliche Stunden, teilweise auch mit hitzigen Diskussionen.
Durch Corona hat sich so viel verändert, aber nicht nur dadurch – mein Mann und ich – wir Beide mussten einsehen, dass es ohne fremde Hilfe nicht mehr geht. Ob es der Pflegedienst ist, ob es Nachbarn sind, die sich nett um uns kümmern, die Kinder haben leider sehr wenig Zeit und wohnen auch nicht so nah.
Es schmerzt, jeden Tag konfrontiert zu werden mit den Unzulänglichkeiten des Alltags UND auch des Körpers. Der Körper ist müde, er darf es auch sein nach über 80 Jahren und doch ist es eine emotionale Achterbahn, nur dass man nicht mehr vor Freude juchzt.
Manchmal frage ich mich abends: „ob uns der Herrgott vergessen hat“?
Anhänge:
Letzte Änderung: 2 Jahre 2 Monate her von Bernd Offizier.
Folgende Benutzer bedankten sich: Bernd Offizier
Bitte Anmelden um der Konversation beizutreten.
Ladezeit der Seite: 0.268 Sekunden