Radikalisiert sich die Querdenker-bzw. die Maskenverweigererszene?

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2 Jahre 6 Monate her #1 von Walter Gollhardt
Am Ende ist ein junger Mann tot, ein Student, gerade einmal 20 Jahre jung. Er hatte das ganze Leben noch vor sich, aber das Pech, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein.
Neben der Uni jobbte er in der Tankstelle als Kassierer, dort ist er dann auch sinnlos gestorben. Erschossen von einem 49-Jährigen, aus kurzer Distanz in den Kopf. Und das offenbar nur, weil er den Kunden auf die geltende Maskenpflicht hingewiesen hatte.
Die Schuld dafür trägt erst einmal allein der inzwischen vollumfänglich geständige Täter. Doch nun stellt sich die Frage nach der politischen und der gesellschaftlichen Verantwortung, denn wie konnte es soweit kommen. Wer, bzw. was hat für diese gesellschaftliche Verrohung gesorgt?
Verantwortlich sind wohl sicherlich die sogenannten Querdenker und Corona-Leugner, ein zu Beginn buntgemischter Haufen, der aber immer mehr von Rechtsradikalen, sog. Reichsbürgern, Systemveränderern und Verschwörungsfanatikern als willkommenes Deckmäntelchen benutzt wird, und die vollkommen andere Ziele verfolgen. Der Täter fiel offenbar bereits in der Vergangenheit durch Äußerungen über die Hygienemaßnahmen auf. Auch soll er außer der Tatwaffe noch weitere Waffen illegal besessen haben.
Der Todesschütze wurde verhaftet, er hat die Tat inzwischen gestanden. Lt. seiner Aussage habe ihn die Pandemie belastet. Er würde die Corona-Maßnahmen ablehnen, das zufällige Opfer habe er "verantwortlich für die Gesamtsituation" gemacht. Beide kannten sich offensichtlich nicht.
Ein Mann erschießt einen anderen, weil der es gewagt hatte ihn dazu aufzufordern, sich an die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes zu halten. Was diese sinnlose Tat inzwischen in den Köpfen einer Supermarktkassiererin, dem nächsten Tankstellenmitarbeiter, oder wem auch immer angerichtet hat, kann man nur vermuten. Es ist schlicht die Angst, an einen vergleichbaren Psychopathen zu geraten, mit unkalkulierbaren Folgen.
Ob der Täter noch andere Probleme hatte, mag juristisch im konkreten Fall relevant sein, doch es relativiert nicht die Tat und auch nicht die Botschaft des Täters, die er schließlich selbst zu Protokoll gab:
Es ging ihm um die Maske. In Querdenker- und Verschwörer Kreisen ist die Maske seit Monaten zum Symbol staatlicher Unterdrückung hochstilisiert worden, zum Abbild einer vermeintlichen Corona-Diktatur. Sie nicht zu tragen wird zum Akt des Widerstandes hochgepusht, und besonders in den sog. „Sozialen Medien“ werden die Verrohung und die Verachtung andersdenkender besonders aggressiv ausgelebt, ja sogar mit Morddrohungen verbunden.
Seit Monaten schrumpft die Anzahl der Teilnehmer auf den Querdenker-Demonstrationen, und der übriggebliebene harte Kern radikalisiert sich zunehmend. Hier sind staatliche Stellen gefordert, diese Szene aufmerksam zu beobachten, und vor allem rechtzeitig einzugreifen, um Taten wie diese zu verhindern, denn es fällt auf, daß zunehmend Täter mit psychischen Problemen und einem gewissen Gewaltpotential in Frage kommen. Insofern paßt der Attentäter von Idar-Oberstein genau in dieses Schema.
Den politischen Hintergrund einer Tat zu benennen, ist keine Lappalie für die Statistiken. Das Problem als solches zu identifizieren bedeutet, es als ein gesellschaftliches anzuerkennen und entsprechend zu reagieren. Man kann den Täter wegsperren, die weiterbestehenden Gefahren aber nicht.
Es war ein Terrorakt, denn Täter und Opfer kannten sich nicht, der junge Mann wurde stellvertretend getötet, denn der Täter wollte ein Zeichen setzen. Er wollte andere Kassiererinnen in Supermärkten, Kontrolleure in U-Bahnen und die Bedienung in Restaurants treffen, die Impfnachweise abfragen, oder auf die Einhaltung von Corona-Regeln achten müssen. Man kann ihnen nicht verdenken, daß sie nun bei Problemen ein mulmiges Gefühl beschleicht. Das Signal heißt:
Ihr könnt euch hier nicht sicher fühlen! Und manche Bedienung wird nun lieber den Mund halten, oder den Job wechseln.
Die Gewalttat von Idar-Oberstein ist extrem, und sie wird das Land verändern, bzw. sie hat es schon. Einschüchterungsversuche gegenüber Journalisten, und Kommunalpolitikern sind hier nur die Spitze des Eisberges.
Diese Vorfälle sind die Bindeglieder zwischen den Querdenker-Worten auf den Demos, in den Chatgruppen und der Tat von Idar-Oberstein. Zusammen bilden sie eine gefährliche Mischung, der Staat und Öffentlichkeit noch entschlossener entgegentreten müssen.


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