Tagebuch eines Ruheständlers

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12 Jahre 3 Monate her - 3 Jahre 11 Monate her #1 von Walter Gollhardt
Tagebuch eines Ruheständlers wurde erstellt von Walter Gollhardt
Tagebuch eines Ruheständlers

01.08.2007

Heute ist mein erster Tag im Ruhestand! Ich bin gestern Abend hundemüde ins Bett gekrochen. So ein letzter Arbeitstag nimmt einen doch mehr mit, als ich mir selbst gegenüber zuzugeben bereit bin. Ich habe mich zwar schon fast ein Jahr vorbereiten und an den Gedanken in Zukunft ohne Arbeit zu leben gewöhnen können, aber Theorie und Praxis sind ganz unterschiedliche Dinge. Der Abschied in der Kantine mit beiden Schichten und vielen vertrauten Kollegen hat mich doch mehr mitgenommen als gedacht, zumindest habe ich es ohne öffentliche Tränen der Rührung überstanden. Es war aber knapp!! Es waren viele Leute da, und auch noch etliche, die ich nicht auf der Rechnung hatte, da im Betriebsalltag nicht immer alles ohne mitunter notwendige Auseinandersetzungen ablaufen kann.
Ich bin heute Morgen mit ziemlichem Brummschädel aufgewacht, vielleicht liegt es an einer leichten Erkältung, am schönen Wetter, oder einfach an den ungewohnten Umständen.
Es ist schönes Wetter, so stehe ich kurz vor Acht Uhr auf. Vorgestern war ich wie immer um diese Zeit schon seit drei Stunden ohne Frühstück auf den Beinen, habe schon viele Entscheidungen getroffen, Mitarbeiter motiviert und Aufträge erteilt.
Heute frühstücke ich in aller Ruhe im Bademantel mit Kaffee und frischen Brötchen, lese ausführlich die Zeitung und brauche für alles fast zwei Stunden. Dann folgt Geschirrspülen, Betten machen und ein ausgiebiger Aufenthalt im Badezimmer.
Ich ertappe mich immer wieder dabei, dass ich nach einem Blick auf die Uhr daran denke, was ich gerade im Betrieb machen würde. Produktionsbesprechung, eine kurze Pause, Projektarbeit, Arbeitskreise, Gespräche mit Kunden usw…
Fast 34 Jahre bei „Meiner Firma“ kann ich eben doch nicht so einfach aus den Gedanken vertreiben, es muss und wird mir aber so nach und nach gelingen!! Es ist ganz wichtig im Leben, manchmal Türen hinter sich zuzuschließen und den Schlüssel wegzuwerfen, also kein Beratervertrag, Nostalgiebesuche bei Kollegen, die für mich keine Zeit und ganz andere Probleme haben.
Draußen ist ein herrlicher Sommertag, und ich verspüre den Drang, mich zu bewegen.
So gegen halb zwölf starte ich daher zu einer Radtour. Die Temperaturen sind angenehm, so 22 bis 23 Grad, es weht aber ein ziemlich starker und kühler Wind. Ich fahre am Rheinufer entlang Richtung Bonn. Es sind erstaunlich viele Radfahrer unterwegs, und beileibe nicht nur Rentner. Es ist wohl etwas dran an der Aussage, dass nur noch knapp 38 Prozent der Bundesbürger einer geregelten Arbeit nachgehen. Vielleicht spielt es aber auch eine Rolle, dass in NRW noch eine Woche Schulferien sind.
In Bonn fahre ich am ehemaligen Bundeshaus vorbei, dann weiter Richtung Poppelsdorfer Schloss, über den Münsterplatz zum Marktplatz vor dem Rathaus, auf dem heute auch Markt ist. Es ist überall voll, die Straßencafes, Restaurants, und auch die Geschäfte. Ich orientiere mich dann wieder Richtung Rhein. Am Schloss muss ich das Rad eine Treppe hinunter tragen, dann geht es am Rheinufer entlang zurück nach Wesseling. Mir fällt auf, dass weniger Schiffe als sonst unterwegs sind. Vielleicht eine Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise?
Ich bin ziemlich stramm gefahren, und so langsam tun mir die Beine und der Hintern weh. Immerhin 52 Kilometer sind für mich und den Anfang ja schon ganz ordentlich!
Nachmittags fahre ich dann noch zum Einkaufen. Ich werde mich meinem Hobby dem Kochen widmen, und meine Frau am Abend mit einem chinesischen Gericht aus dem Wok überraschen. Die Arme muss ja noch drei Monate arbeiten.
Mein erster Tag als Ruheständler ist nun fast vorbei. Eigentlich ist es wie Urlaub, aber eben doch ganz anders. ich bin gespannt, wie es mit mir weitergehen wird.
Letzte Änderung: 3 Jahre 11 Monate her von Walter Gollhardt.
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