Blaudruck, ein altes Handwerk

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7 Jahre 6 Monate her - 4 Jahre 1 Woche her #1 von Walter Gollhardt
Blaudruck, ein altes Handwerk wurde erstellt von Walter Gollhardt
Blaudruck, ein altes Handwerk!


Auf unserer diesjährigen Herbstreise haben wir auch Station in Jever/Ostfriesland gemacht.
Bei einem ersten Bummel durch die Altstadt stießen wir auf die kleine Blaudruckerei in einer schmalen Seitengasse. Da es sich auch um ein Museum handelt, wird hier noch nach dem alten seit vierhundert Jahren in Westeuropa bekannten Verfahren mit Indigo gefärbt, denn der Begriff „Drucken“ ist falsch, aber er hat sich nun einmal über die Jahrhunderte eingebürgert.

Das Färben mit Indigo kam mit dem damals stark wachsenden Fernhandel aus Südostasien nach Europa. Indigo kommt heute fast ausschließlich aus Pakistan, so bezieht Jever auch sein Indigo von dort aus kleinen Familienbetrieben, die durch den Export nach Deutschland inzwischen gut davon leben können.
Übrigens, die letzte von vielen Blaudruckereien in Jever hat vor 100 Jahren den Betrieb eingestellt, um so erfreulicher finde ich, daß es diese alte Tradition inzwischen wieder gibt.
Der erste Blaudruck mit Indigo als Färbemittel wurde in Deutschland 1689 oder 1690 in Augsburg hergestellt, die Technik verbreitete sich jedoch schnell.
Zuvor wurde zum Färben der sog. Färberwaid verwendet, allerdings braucht man zum Färben sehr große Mengen davon, und der erzielte blaue Farbton ist doch im Vergleich zum Indigo sehr schwach.
Anfangs wurden nur Leinenstoffe bedruckt, seit dem 18. Jahrhundert auch Halbleinen- und Baumwollstoffe, vor allem für Bettwäsche, Tischdecken, Vorhänge und Frauenkleidung.
Inzwischen wird auch Seide im Blaudruckverfahren verwandt.
Doch nun zum eigentlichen Verfahren, daß Besuchern in dem kleinen Museum an einem Beispiel demonstriert wird. Dabei wird schnell klar, daß es sich ausschließlich um ein Handwerk handelt.
Beim „Blaudruck“ entsteht das charakteristische weiße Muster auf blauem Grund.
Das sog. Chassi, ein mit dem grünlichen Papp gefüllter Kasten, und die Model zum Bedrucken werden vorbereitet. Papp wird unter anderem aus Gummi arabicum, weißer Tabakspfeifenerde, Kupfersulfat, Kupferacetat und anderen chemischen Substanzen hergestellt.

Papp nennt man in der Fachsprache der Blaudrucker diese farbabweisende Substanz, die von einer Art großem „Stempelkissen“ auf die unterschiedlichsten Model und damit auf das zu bedruckende Tuch aufgetragen wird.
Diese Model sind handwerklich gestaltete kleine Kunstwerke aus 30 Jahre gelagertem Birnbaumholz, die nur noch und wenn überhaupt antiquarisch zu beschaffen sind. So sind z. B. die 460 verwendeten Model in Jever bis zu 350 Jahre alt.
Die Modelhersteller gehörten früher zu einem geachteten Handwerkerberuf, denn zur Herstellung eines Models benötigte der Handwerker bis zu einem Jahr, und in der Zeit mußte der aufraggebende Blaudrucker die Familie des Handwerkers mitversorgen!
Die Konturen vieler Formen und Ornamente werden auf dem Model u. A. durch tausende kleine Messingstifte dargestellt, die mühsam in von Hand vorgebohrte kleine Löcher getrieben wurden. Ohne elektrische Bohrmaschine eine komplizierte und zeitaufwendige Arbeit.
Der Papp muß eingetrocknet sein, bevor die Stoffe gefärbt werden können. Dazu wird der Stoff auf ein Trockenreck gespannt.
Die genauen Rezepturen des Papps werden gut gehütet und sind zum Teil seit Jahrhunderten überliefert. Nach dem Färben wird der Papp mit verdünnter Schwefelsäure entfernt.
Doch nun zur Prozedur des Färbens.
Dazu wird der Stoff in Lagen auf einen Kronreifen genannten Eisenrahmen gehängt, dabei wird mit Hilfe von kleinen Gewichten dafür gesorgt, daß er faltenfrei hängt, und in die in Jever 3 Meter tiefen Färbeküpen mit der Hilfe eines kleinen Flaschenzuges mit Kurbel getaucht.
Je öfter er getaucht wird, desto dunkler und kräftiger wird die Farbe.
Nach jedem Tauchgang muß der Färber ca. 20 Minuten warten, bis der nächste erfolgen kann. Da in Jever bis zu 25 Tauchgänge erfolgen können, kann man sich gut vorstellen, wir lange der Färber für ein einzelnes Stück braucht.
Wenn der Stoff das erste Mal aus der Küpe auftaucht, kann man das in der Färbersprache so bezeichnete „Blaue Wunder“ erleben, denn Indigo ist während des Färbevorgangs zu Beginn gelbgrün und erhält erst bei der Oxidation an der Luft seinen blauen Farbton.
Das Mischverfahren der Farben und des Entwicklungsbades sind wie der gesamte Blaudruck handwerkliche Arbeiten. Die Rezepte sind Betriebsgeheimnisse, die von einer Generation an die nächste weitergegeben werden.
Nach dem Färben wird der Stoff mehrfach gespült und gekocht, um den Papp restlos zu entfernen.
In Jever wird wie früher in einem Trockenraum oberhalb der Blaudruckerei schonend an der Luft getrocknet, d. h. dieser Raum besitzt nach allen Seiten mit Luftschlitzen versehene Wände. Insofern kann je nach Wetterlage der Trocknungsprozeß mehrere Tage dauern.

Ich finde es gut, daß es nach wie vor Menschen gibt, die in unserer schnellebigen und technisierten Welt alte Handwerkstraditionen und Wissen vor dem Aussterben bewahren, und es vor allem fortführen.
Leider gibt’s bis jetzt in Jever noch keinen jungen Nachfolger, denn wenn es einer machen wollte, müßte er erst einmal investieren und das ganze Inventar kaufen, wobei die antiken Model schon einen namhaften Betrag ausmachen würden!

Wir haben übrigens eine Tischdecke nach unseren Vorstellungen bestellt!
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Letzte Änderung: 4 Jahre 1 Woche her von Walter Gollhardt.

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